25 Jahre Badstubenmuseum Wangen im Allgäu (2020)
Artikel von Stadtarchivar Dr. Rainer Jensch
Die historische Altstadt Wangens zählt zu den kulturhistorischen Kostbarkeiten inmitten der Region Bodensee-Oberschwaben-Allgäu. In ihren Mauern findet sich eine Rarität ersten Ranges. Das „Alte Bad“ an der Stadtmauer gilt mit seiner 600jährigen Geschichte als eines der besterhaltenen Badehäuser.
Als das darin eingerichtete Museum am 1. April 1995 erstmals seine Türen öffnete, war das eine kleine Sensation.
Denn eigentlich war das Gebäude schon auf der Liste für den Abbruchbagger gestanden. Das Haus war heruntergekommen, diente es seit dem 18. Jahrhundert doch als Armenhaus, später als Wanderarbeitsstätte für mittellose Handwerker und zuletzt als Unterkunft für Obdachlose. Weil das Geld für die Instandhaltung dieser Einrichtung immer fehlte, blieb das 1409 erstmals erwähnte und später in seiner heutigen Form veränderte Gebäude in seinem wesentlichen Bestand erhalten.
Schon die archäologischen Ausgrabungen beförderten eine überaus reiche Geschichte zu Tage. Wegen der hohen Brandgefahr, die von den städtischen Badehäusern ausging, war die „Obere Badstube“ direkt an der Stadtmauer errichtet worden. Tatsächlich wurden die Vorgängerbauten an dieser Stelle zu einem Raub der Flammen. Das heutige 23,30 x 9,90 große, zweigeschossige Badehaus wurde von der Stadt im Jahr 1589 errichtet.
Im Zuge der Entdeckung und Wiedergewinnung des Denkmals gelang es, die Räume des zum Ende des 17. Jahrhunderts eingestellten Badebetriebs in ihren ursprünglichen Funktionen wieder sichtbar zu machen. Schon die Eingangshalle mit ihren rußgeschwärzten Balken atmet Geschichte.
Unter der mächtigen Rauchfanghaube befinden sich im Boden vertieft die Feuerungseinrichtungen für den Schwitzofen und den Warmwasserkessel. Das Wasser wurde einst mit Holzröhren („Deicheln“) vom Wasserrad der Eselmühle in die Badstube geleitet. Eine Urkunde von 1436 regelte das entsprechende Wasserbezugsrecht.
Durch eine kleine Kammer, in der die Straßenkleidung ablegt wurde, betritt man die eigentliche Badstube.
Unter dem originalen Kreuzgewölbe bildet die Schwitzbank den Kern der Anlage.
Auf dem alten Backsteinpflaster stehen die nach alten Vorbildern gebundenen Holzzuber.
Auch der der sog. „Wärmeraum“ mit dem Kachelofen und der rußgeschwärzten Bohlen-Balkendecke ist noch erhalten. Hier kamen die Handwerkskünste des Baders zur Entfaltung. Er ließ seine Badegäste zur Ader, schröpfte, schor Bärte und Haare, öffnete Abszesse, befreite von Parasiten und brach schmerzende Zähne. Mit seinen chirurgischen Fähigkeiten amputierte er gegebenenfalls auch ganze Gliedmaßen. In Zeiten grassierender Pest und anderer Seuchen musste er sich auch für die infizierten Stadtbürger als Pestarzt verwenden lassen.
Die historische Badstube ist in den vergangenen 25 Jahren zu einem Highlight innerhalb der Wangener Museumslandschaft geworden.
Die Räume im Obergeschoss des Badegebäudes dienen seit 1993 als Ausstellungsflächen für die Städtische Galerie. Und ganz oben befindet sich unter dem mächtigen Dachstuhl ein Saal für Vorträge und Veranstaltungen.
Das Badgewölbe ist während der Museums-Öffnungszeiten über den Eingang in der Eselmühle zu erreichen. Von dort geht es über den Stadtmauer-Wehrgang zum Pulverturm und weiter bis in den lauschigen Innenhof der Badstube. Hin und wieder werden die Öfen auch angeheizt. Dann schlüpfen die Akteure des Altstadt- und Museumsvereins in ihre historischen Kostüme und vermitteln ein Bild vom Baden in alter Zeit.
Fotos: AMV