Wer war der Heilige Nikolaus?
Der Heilige Nikolaus, Bischof von Myra (*15.03.270 n.Chr – 06.12.343 n.Chr), entwickelte sich während des 6. – 9. Jh. zu einem der volkstümlichsten Heiligen der Ostkirche. Seit dem 8. Jh. ist seine Verehrung auch in Rom bezeugt.
Weil er der Legende nach Seeleute aus Seenot errettet hatte, galt er als Patron der Schiffsleute, Flößer, Fischer und Seefahrer. Darüber hinaus war er auch Schutzpatron der Kaufleute, Händler und Reisenden. Die Legende von der Errettung Myras vor der Hungersnot machte ihn zum Patron der Bäcker, die Erweckung dreier ermordeter Schüler zum Leben zum Patron der Apotheker und das Geschenk je einer Goldkugel an drei verarmte Jungfrauen als Aussteuer ließ ihn zum gütigen, gabenspendenden Heiligen werden. Deshalb sind auf Darstellungen des Heiligen oft drei goldene Kugeln, drei Brote, drei Kinder zu seinen Füßen oder ein Anker zu sehen.
Der Volksbrauch des Kosâ(Nikolaus)gehens reicht nördlich der Alpen wohl bis ins 10. Jahrhundert zurück, als der Heilige als Schutzpatron der Kinder auch in Deutschland besondere Verehrung fand.
In enger Verbindung mit dem Klosengehen stand früher in Wangen die Einrichtung der Patemistenknaben. Nach einer Stiftung des Magistrats im Jahr 1522 hatte man zu Ehre der katholischen Kirche und besseren Aufnahme Bedürftiger als Heilig-Geist-Spital auf ewige Zeiten vier arme Sing- oder Choralschüler aufzunehmen und zu verpflegen. Die Patemisten wurden von der Stadt gekleidet. Sie mussten täglich beim Gottesdienst singen und kleinere Kirchendienste verrichten. Noch im 19. Jh. bestanden die Reste des historischen Patenmisten-Institutes. Der Lateinlehrer, der zugleich auch Organist in St. Martin war, bildete wie in alter Zeit vier Schüler aus, von denen 1868 noch jeder 30 Gulden im Jahr und ein wöchentliches Quantum Brot bekam.
Bis auf den heutigen Tag ist der Heischebrauch der Sängerknaben erhalten, den Patemisten und Lateinschüler der Stadt Wangen am Nikolausabend durchführen durften und damit ein paar Kreuzer, Nüsse, Äpfel oder andere Gaben für sich selbst zu verdienen: das Klosâsingen.
Deutsche Lieder wie “Elternlieb” oder “Wir haben ein Kränzlein gewunden” wurden vor den Häusern gesungen. Aber auch ein altehrwürdiges Wangener “Klosêlied” das in Latein verfasst ist und ein besonderes Stück Wangener Kulturgeschichte darstellt: Nicolai festo
In der ersten Strophe wird zur Verehrung des Hl. Nikolaus aufgerufen und in der zweiten aus der alten Nikolauslegende rezitiert, nach der der Heilige schon als Säugling das Fastengebot dadurch befolgte, dass er an zwei Tagen keine Muttermilch trank. Die dritte Strophe wird mit dem Lobpreis Gottes am Nikolaustag beschlossen.
Durch die kleinen Geschenke für den Gesang kam es wohl zu dem lustigen Nachschlag des Liedes: “Steck’s in Sack.”
Heute führen Sänger des Wangener Feuerwehr-Chores die Tradition des Klosêsingens fort und sammeln Spenden für bedürftige Familien.
Viele Bräuche des Allgäus lassen sich auf diese Legenden zurück führen: Die Liebe zu den Kindern und das Beschenken u. a. mit Broten und Süßigkeiten; die Beschenkung der Dienstboten mit Wäsche und der Tochter mit dem Klosêgeschenk zur Aussteuer.
Auch die Wangener Nikolausbruderschaft, eine Bruderschaft zum guten Tod, knüpft an alte Vorstellungen an, obwohl sie erst am 06.12.1934 im Anschluss an die Nikolausmesse in der dem Heiligen geweihten Sattelkapelle (1446 erstmalig erwähnt) gegründet wurde.
Der heute übliche Nikolausbrauch, dass der Hl. Nikolaus persönlich und im Bischofsornat erscheint, wurde im Allgäu erst um die Jahrhundertwende wieder eingeführt. In den Zeiten des “unsichtbaren” Nikolausen stellte man am Vorabend des Nikolaustages einen Teller, einen Schuh oder einen Korb auf. In diesen sollte der “Klos” die Geschenke hinein legen. Um ihn besonders spendabel zu stimmen, legten die Kinder neben den Teller Beweise ihres Fleißes.
Inzwischen gehört der leibhaftige Nikolaus zum festen Bestand des Brauchtums, wenn er in Bischofskleidung mit Stab und Mitra in die Stube eintritt, wenn er aus seinem goldenen Buch die Stärken und Schwächen der Kinder vorliest, Lieder singen lässt und aus seinem Sack die Geschenke austeilt.
Quellen: Vom Klosetag bis Wihnächte u. Vom Advent bis Dreikönig (Berthold Büchele), Alt-Wangener Erinnerungen (Karl Walchner), Stadtchronik Wangen (Dr. Rainer Jensch), Katholische Kirche St. Martin, Stephan Wiltsche, Wikipedia