Die Märchenerzählerin Regula Seelherr beherrschte die alte Tradition des mündlichen Erzählens. 

Wangemer Weihnacht in der Spitalkirche - Altstadt- und Museumsverein

(Foto: Johannes Rahn)


Mit der traditionellen „Wangemer Weihnacht“ in der Spitalkirche gelang dem Altstadt- und Museumsverein erneut ein stimmungsvoller und stimmiger Einstieg in die Weihnachtsfeiertage. Durch die Auswahl der Mitwirkenden wurde das Programm rund und so wurde einem, auch wenn die Kirche kalt war und viele Besucher zur Sicherheit eine Decke mitbrachten, warm ums Herz.

Gitarrentrio

Das Gitarrentrio aus Chiara Wetzel, Larissa Ziegler und Priska Keller steuerte silberne, zarte Klänge bei. Die Ausschnitte aus der „Französischen Suite“ von Ferdinand Rebay (1880-1953) verbanden barocke Formen und romantisches Klanggefühl und brachten durch ihren eleganten Fluss Ruhe und eine helle Stimmung in den Kirchenraum.

Steyrische Harmonika

Manfred Theuermann und Jakob Göschel zeigten die Steyrische Harmonika von ihrer „staaden“ Seite. Die traditionellen Adventsweisen und Weihnachtslieder bildeten den klanglich robusten, bodenständigeren Gegensatz zu Rebay Musik, quasi geerdet, schlicht zwar, aber doch Ausdruck gewachsener tiefer Frömmigkeit, die im Rhythmus der Jahreszeiten mitschwingt.

La Cantoria

Der Kinderchor „La Cantoria“ der Jugendmusikschule sang unter der Leitung von Christian Feichtmair frisch und fröhlich und unbeschwert und die Kinder hatten sichtlich Spaß an den bekannten Weihnachtsliedern, bei denen sie der Dirigent abwechselnd am Klavier und der Gitarre begleitete, unterstützt von Anna Prestel mit der Geige und Johanna Zimmermann mit der Flöte. Die Intonation war sicher, die Sprache klar und kleine Choreographien verliehen zusätzlich Lebendigkeit.

Zwei Lieder hat Berthold Büchele wiederentdeckt; „Kommt her, ihr Waldvögelein“ und das „Klopferlied“ mit dem arme Wangener Kinder an Weihnachten früher von Haus zu Haus zogen, an die Tür klopften und um Gaben baten, ein Brauch, der dem Geist von Weihnachten entsprach, von der neuen württembergischen Obrigkeit aber im 19. Jahrhundert als „Bettelei“ unterbunden wurde.

Die Märchen

Die Märchen, die Regula Seelherr vortrug, waren nicht unmittelbar weihnachtlich, aber trotzdem dazu angetan, „Herz und Sinne zu öffnen“, wie Theo Keller vom Altstadt- und Museumsverein in seiner Begrüßung erklärte. Regula Seelherr las die Texte nicht, sondern erzählte sie frei und unmittelbar und – ungeachtet ihres Ursprungs aus aller Welt – auf Schwäbisch.

Das lebendige Erzählen mit Gesten, Mimik und direkter Ansprache zog die Zuhörer in die Geschichten hinein, sei es, wie eine arme griechische Witwe auf die 12 Monate trifft, ein Schuhmacher aus Afghanistan von seinem König geprüft und dann zum Ratgeber ernannt wird, das Glück eine sibirische Bauernfamilie verlassen will, aber einen Wunsch gewährt oder der überhebliche junge Frost es nicht schafft, einen litauischen Tagelöhner zum Frieren zu bringen: Alles war dazu angetan, innezuhalten und nachzudenken, über das, was zählt und was wichtig ist im Leben.

Und so entfaltete das gesamte Ensemble tatsächlich diesen stillen und zugleich lebendigen Zauber, der Weihnachten kennzeichnet und der in einer durchorganisierten, auf Effizienz getrimmten Gegenwart oft untergeht.


Quelle: Schwäbische Zeitung v. 26.12.2018