Archivschätze Teil 1:
Die päpstliche Fastenurkunde von 1436 und Pfarrbeschreibung 1824
Am 16.04.2019 fand im Gemeindehaus St. Martin der erste Vortrag „Archivschätze 2019″ statt:
Die „päpstliche Fastenurkunde von 1436„ und „Pfarreibeschreibung 1824„ mit Ortsheimatpfleger Stephan Wiltsche.
Mit einem faszinierenden Rückblick auf die Zeit um 1431 – 1449 leitete er den Abend ein.
Der 100-jährige Krieg tobte. Theologisch wurde gekämpft, wer an der höchsten Spitze stand – das Konzil oder der Papst. Zu dieser Zeit war Eugen IV Papst, der sich gegen den Konziliarismus stellte und 1434 als Mönch verkleidet aus Rom fliehen musste. Spannende Hintergründe zur Geschichte und Kirchengeschichte zogen die Zuhörer in den Bann.
Hinführend zur „päpstlichen Fastenurkunde von 1436“ berichtete Stephan Wiltsche allgemein zum Fasten der vergangenen Zeiten. Er verwies auf den Bezug der 40 Fasttage z. B. zur Umkehrgeschiche Moses, 40 Jahre Wüstenwanderung des Volkes Israel, 40 Tage Sintflut, 40 Tage Fasten Jesu in der Wüste.
Er berichtete vom Quartemberfasten und dass zwischen 130 – 150 Fastentage existierten. Verhaltensweisen der Reichen während der Fastenzeit, Verbotenes und Erlaubtes – kurzweilig dargebrachte Hintergrundinformationen zum Fasten des Mittelalters. Erlaubt war nur eine sättigende Mahlzeit nach 15 Uhr am Tag, Milchprodukte, Eier und Alkohol waren verboten.
Wieso kam es 1435 in Wangen zur Bitte um Dispens?
1431/32 brach eine 10-jährige Klimakatastrophe mit langer Winterperiode an. Es war die kälteste Zeit des Jahrtausends. 1435 war der Bodensee komplett zugefroren. Es gab keinen Schnee, im Frühling Überschwemmungen im Donautal. Die Saat ging kaputt. Erst im Juni waren Plusgrade zu verzeichnen. Sie Sommer waren sehr heiß aber regenreich. Es gab keine Ressourcen mehr. Brot z. B. wurde aus Baumrinde hergestellt. Es ergingen 477 Bitten um Dispens wegen des Fehlens von Oliven für Öl und die Bitte, wenigstens in der Fastenzeit Milchprodukte essen zu dürfen.
Aufgrund der allgemeinen Hungersnot, der Tausende Menschen zum Opfer fielen, wurde auch dem Dekanat Allgäu dieser Dispens erteilt.
Die Anfrage von 1435 Wangens nach der Fastenurkunde ist in den Archiven in Rom vorhanden.
Stephan Wiltsche zeigte am Rande seines Vortrags die in einer Schuhschachtel in St. Martin gefundene Monstranz, gotische Kelche und einen Kelch aus dem 16. Jahrhundert. Er machte hierbei noch einen kurzen Exkurs zur Zunftkontrolle und Prozessionsablauf der damaligen Zeit.
Hinführend zur „Pfarrbeschreibung von 1824“ von Pfarrer Joseph Gebhard Weiß gab er einen Überblick über die Anfordernisse an den Stadtpfarrer, die damals immer studiert haben mussten. Durch diese Anforderung war man intellektuell auf der Höhe der Zeit und es war kein Ausbruch der Reformation in Wangen zu beobachten.
Die Bürokratie explodierte und der Staat griff stark in die Kirchenpolitik ein.
Die Pfarrbeschreibungen, die jedes Jahr neu geschrieben wurden, hielten ganz genau fest, wer wo wohnte (es gab hier schon Hausnummern) und die Pfründe (Einkünfte) wurden erfasst.
Stiche jedes Hauses wurden mit Aufmaß gemessen und maßstabsgetreu übertragen. Pfarrsprengel hielten jedes Gebäude, jede Parzelle, die Anzahl der Mädchen und Buben in Schulen fest. In den Pfarreien waren viele Gebietsverschiebungen zu beobachten.
Die Jahrtagsbücher zeigen die Umbrüche jener Zeit auf, was sich im Lauf der Jahre bis in die Gegenwart verändert hat.
Stephan Wiltsche berichtete auch vom großen Stadtbrand von 1793, bei dem viele Dokumente verloren gingen. Diese wurden im alten Stadtpfarrhaus, das zu der Zeit auf der Stadtpfarrkirche sass, aufbewahrt. Mit den Dokumenten gingen die Urbaren verloren, die belegen, was der Pfarrei gehört. Dies hat Auswirkungen bis heute.
Spannend, kurzweilig und sehr informativ waren hierbei auch die Einblicke z B. zur Amtszeit von Pfarrer Knorr, der sich 1663 der Eintreibung des lästigen Zehntens entledigt hat, bis hin zur näheren Gegenwart der Geschichte von St. Martin.
Die Zeit war viel zu schnell vorbei und wir sprechen Stephan Wiltsche, Edgar Mink und Josef Mast großen Dank aus, dass sie soviel Arbeit und Zeit in die vorbildliche Archivierung investieren!
Die weiteren Archivschätze versprechen noch viele beeindruckende Vorträge zur Kirchen- und Stadtgeschichte von Wangen!
Empfehlen Sie die Vorträge weiter und merken Sie sich die weitere Termine vor! Es lohnt sich!
Am 02. Juli 2019 ist die nächste Veranstaltung Archivschätze Teil 2: Was das „Wangener Jahrtagsbuch von 1593“ verrät.
Wir bitten Sie, die Kirchensanierung von St. Martin großzügig zu unterstützen.
Spenden sind möglich auf das Konto des Altstadt- und Museumsvereins, IBAN: DE19 65050110 0000 225555 bei der Kreissparkasse Ravensburg, SOLADES1RVB.
An uns gerichtete Spenden versehen Sie bitte mit dem Verwendungszweck „Spende Renovierung von St. Martin„.
Vielen Dank für Ihre Unterstützung!